Montag, 8. Dezember 2014

Kobuk City - oder warum es die neue Folge von „Ice Age 5“ wirklich geben wird

In Fairbanks haben Simi und ich uns im Internet noch etwas über das Dorf Kobuk erkundigt. Da hiess es unter anderem: „…Kobuk City verfügt über ein Gemeindehaus, eine Kurklinik, eine Baptistenkirche, ein Wäschehaus mit öffentlichen Duschen und Waschmaschinen…“ Nach etwas mehr als einer Woche Wildnisabenteuer freuen wir uns sehr auf eine heisse, nie endende Dusche. Anschliessend können wir die leicht penetrant riechende Kleidung für den zweiten Teil der Reise waschen. Schöne Aussichten, schönes Wetter und viel Zeit für uns, da wir heute nur 10-15 km paddeln müssen.

Mit diesen Gedanken lege ich mich rücklings auf das Gepäck, schliesse die Augen und geniesse die warmen Sonnenstrahlen. Simi hat sich bereit erklärt, die Stellung zu halten, so dass ich ein kleines Nickerchen auf dem Boot abhalten kann. Und dies kann ich jedem nur empfehlen. Das Boot schaukelt leicht hin und her, kleine Wellen klatschen an die Bordwand und nur das sanfte Eintauchgeräusch des Paddels ist zu hören, gefolgt von einer Tropfensinfonie, welche entsteht, wenn das Paddel wieder aus dem Wasser gezogen wird. Und das Beste an dieser Kanu-Schaukel-Meditation ist, dass Simi das Boot immer schon in Richtung Sonne ausgerichtet hält. Ein wohliger Schauer läuft mir über den Rücken und ich bin mit mir und dem Rest Welt sehr zufrieden.

Doch auf einmal höre ich Hilferufe! Sie sind hoch und schrill und lassen keine Zweifel aufkommen: da ist jemand in grosser Not. Blitzschnell richte ich mich auf, blinzle meine Träume weg und bin bereit, mich als Rettungsschwimmer (ich habe im letzten Sommer  bei Simi das Seepferdchenabzeichen bestanden) nützlich zu machen. Ich lasse meinen Blick über das Flussufer schweifen - nichts. Ich schaue in Richtung Himmel - nichts. Und wieder höre ich diese lauten, ängstlichen Rufe. Da muss doch was sein oder habe ich mir einen Stilletinitus eingefangen? Nein, dort hinten sehe ich etwas. Da schwimmt doch tatsächlich ein Streifenhörnchen mitten im Fluss, respektive strampelt um sein Leben. „Streifenhörnchen über Bord! Alle Maschinen stopp!“, rufe ich Simi zu. Mit vereinten Paddelschlägen rudern wir rückwärts gegen die Strömung Richtung Unglückshörnchen. Als Einstiegsleiter halte ich ihm das Paddel hin. Das Streifenhörnchen lässt sich nicht zweimal bitten und klettert hastig an Bord und versteckt sich zitternd und patschnass zwischen dem Gepäck. Ich denke nur: Hoffentlich ist es ihm nicht zu wohl und es beginnt, an der Bootswand zu knabbern. Doch meine Sorge ist unbegründet, denn das Hörnchen muss zuerst wieder zu Atem kommen. Wir paddeln mit unserem Gast eiligst ans nächste Ufer und bitten es, auszusteigen. Noch nass, jedoch mit einem frechen Grinsen auf den Zähnen, hüpft das Streifenhörnchen aus dem Boot und über die Kiesbank zum angrenzenden Wald. Wir sind stolz, dass wir den kleinen Hauptdarsteller von Ice Age und somit die nächste Folge (welche im Sommer 2016 in die Kinos kommt) retten konnten; gern geschehen J!

Noch voll beflügelt vom Adrenalin haben wir gar nicht bemerkt, dass vor uns das erste Etappenziel am Horizont auftaucht. Im Dorf Kobuk wohnen rund 200 Leute, welche nur über eine Luftbrücke mit der Zivilisation verbunden sind. Langsam nähern wir uns den ersten Hütten. So muss sich Kolumbus gefühlt haben, als er Amerika entdeckte. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass wir von überall beobachtet werden, doch zu sehen ist praktisch niemand. Wir landen an, steigen aus unseren Kanus und ziehen sie etwas die Böschung hoch. Nun sind wir also in Kobuk. OK - und was nun? Wir stehen einfach nur da, fühlen uns etwas ausgestellt und sind uns unserer nächsten Schritte unschlüssig. Mal abwarten. Mit dieser Taktik fährt man in Alaska ganz gut. Man gibt sich gegenseitig die nötige Zeit, sich auf den anderen einzustellen. Nach ein paar Minuten schlendert ein Eskimomann „zufällig“ am Ufer entlang, kommt auf uns zu und erkundigt sich, ob wir einen Elch gesehen haben. Von tief unten holt er einen grossen, braunen Schleimigen herauf und spuckt ihn auf den Boden. Hoppla, ist das eine Art von Revierverteidigung? Als wir ihm sagen, dass wir keinen Elch gesehen haben, nickt er bloss und sein Interesse an uns ist weg - ebenso er selber. Wir stehen wieder alleine oben an der Böschung und - warten. Ein paar Minuten später taucht ein jüngerer Mann auf und das Ganze wiederholt sich: Die obligate Elchsichtungsfrage, abgeschlossen mit einem, diesmal etwas dünnflüssigeren, braunen Schleimigen. Dieser Eskimo ist aber auch an uns und unserer Reise interessiert. Er führt anschliessend Simi und Philipp durch die „City“, René und ich bewachen das Gepäck, denn Guy, so heisst der Eskimo, warnt uns vor den vielen Räuber, die im Dorf leben. Als Simi und Philipp von ihrer Besichtigungstour zurückkehren, schauen René und ich in zwei nicht gerade strahlende Gesichter. Die öffentlichen Duschen, wie auch das Wäschehaus gibt es nicht mehr, ebenso wenig wie ein Restaurant oder eine überdachte Bleibe. Doch Guy strahlt mit seinem Dauergrinsen all unsere Enttäuschung weg und zeigt uns einen Platz, auf dem wir unsere Zelte aufstellen können. Flexibilität und Gelassenheit - zwei Wörter, welche eine immer grössere Bedeutung auf unserer Reise bekommen. Und so setzen wir auf die andere Seite des Flusses über und bauen unser Camp auf. Simi und René anerbieten sich, das Nachtessen zu kochen. Phillip und ich wollen im Gegenzug im Kobuk Store shoppen gehen. Der Kobuk Store entpuppt sich als Tante-Emma-Laden der Extraklasse. Ok, vielleicht etwas teuer, doch man bekommt alles, was das Herz begehrt: Schokolade, Cola, Mehl, DVD’s, Motorsägen, Gewehre und Pistolen - jedoch keinen Tropfen Alkohol. Alle Eskimodörfer sind „trocken“, zum Ärger der Eskimos und auch von uns. Die Alkoholproblematik ist in Alaskas Norden ein grosses Problem und die Regierung tut gut daran, das Verbot rigoros durchzusetzen. Wir sind überzeugt, dass sich ganze Dörfer zu Tode trinken und so der letzte Rest von Eskimokultur im Alkoholrausch weggespült werden würde. Und so vertrösten wir unsere Gelüste auf ein kühles Blondes auf später.

Vollbepackt mit Leckereien kehren wir in unser Camp zurück, wo wir von Simi und René schon sehnlichst erwartet werden. Unsere Shoppingtour hat sich nämlich etwas in die Länge gezogen, da wir überall wieder „hängengeblieben“ sind. Zuerst beim Verkäufer im Kobuk Store, einem ausgewanderten Russen, welcher nach anfänglicher Zurückhaltung eine Geschichte nach der anderen zum Besten gegeben hat. Dann gab es einen kurzen Schwatz mit der Dorfjugend, dann mit dem Dorfopa und dann tauchte Guy wieder auf. Es ist spannend, so nah am Leben der Einheimischen zu sein. Da sind plötzlich ganz andere Dinge und Werte wichtig, über welche wir uns zu Hause in der Schweiz nie Gedanken machen würden. Schlussendlich müssen wir uns richtiggehend losreissen und versprechen, dass wir morgen wiederkommen, denn wir sind wie gesagt, etwas spät dran. Doch mit den feinen Gaben haben wir einen guten Joker im Ärmel. Wir beeilen uns, schnellstmöglich zum Camp zurück  zu kehren. Zu meinem Erstaunen meint Simi zu unserer Verspätung nur: „Ich habe schon vermutet, dass es später werden wird und habe eine zusätzliche Stunde miteingeplant.“ Puhh, da haben wir ja wieder einmal Glück gehabt...

Der Abend in Kobuk beginnt mit dem Mondaufgang - voll und farbig. Als wir nach dem Essen am Feuer sitzen und unsere Erlebnisse austauschen, stösst Guy noch dazu. Er sucht richtiggehend den Kontakt zu uns. Er erzählt und fragt und lacht viel. Er lädt uns ein, ihm am nächsten Morgen beim Auseinandertrennen seiner gejagten Karibus zuzuschauen. Natürlich sind wir dabei, grosses Eskimo-Ehrenwort!

(Adi)


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