Montag, 27. Oktober 2014

...und dann hörte ich die Stille

Stille - ein Luxus, den ich nun für einen Monat in vollen Zügen geniessen kann. Lange habe ich auf diesen Moment gewartet. Ich atme die wunderbare Ruhe ein, rieche sie, spüre sie auf dem Körper. Wie oft habe ich mir diesen Moment vorgestellt, wenn ich mit dem Pamir, der Staubmaske und der Schutzbrille auf dem Bau gearbeitet habe. Ich stellte mir die jetzt vorherrschende Situation am Schluss meiner Ausbildung zum Zimmermann praktisch täglich vor. Und nun stehe ich in der Wildnis Alaskas und um mich herum ist nur noch Natur pur. Sie umschliesst mich, nimmt mich auf und ich werde ein Teil von ihr.

Stille - und doch nicht nichts. Leise schlagen die Wellen an das Ufer des Walker Lakes, sanft rauschen die Blätter der Zitterpappel im schwachen Wind. Alles ist so harmonisch und vollkommen. Ein Moment, den ich mir einverleiben möchte, wissend jedoch, dass es nur ein Augenblick, ein kurzer Moment ist. Leise Trauer mischt sich ein, da alles so vergänglich ist. Auf Dauer könnte dieser Moment tödlich enden, denn der Winter steht vor der Tür. In der natürlichen Balance der Natur stehen, und trotzdem der Jahreszeit und der Härte des Nordens ausgeliefert sein. Ich möchte den Moment festhalten können, wie so oft, weiss aber auch, dass dies nicht möglich ist. Freude, Vorfreude auf das bevorstehende Abenteuer, vermischt mit Wehmut und Loslassen können.

Ich mache die ersten Schritte am Ufer entlang und lasse meinen Blick über die nicht allzu weit entfernten Berge schweifen. Es ist später Nachmittag und die erste Nacht in der Wildnis steht bevor. Wettertechnisch ist‘s nicht gerade perfekt, ging vor kurzem erst noch ein kühler Schauer über uns nieder. Das Zelt wird für die nächsten vier Wochen unser Zuhause sein. Ein idealer Schutz vor dem Wetter, jedoch eine trügerische Rückzugsmöglichkeit wenn’s um die Sicherheit vor den hier vorkommenden Wildtieren geht. Ein einziger Tatzenhieb eines Grizzlys kann das ganze Unterfangen gefährden und die allerschlimmsten Befürchtungen wahr werden lassen. Doch ich bin ja ein Teil des Natursystems, ich vertraue voll und ganz darauf.

Es wird allmählich kalt und der Hunger macht sich auch bemerkbar. Es ist Zeit, Brennholz für das Feuer zu sammeln und mit dem Kochen zu beginnen. Es ist schön zu wissen, dass wir vier volle Fässer mit Leckereien dabei haben. Nichts ist nervender als ein knurrender Magen. Eigentlich sind wir nicht aufs Fischen oder Jagen angewiesen. Jedoch können wir mit etwas Fisch die Menus aufpeppen und im Übrigen macht das Fischen auch einfach Spass.

(Adi)

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