Sonntag, 12. Oktober 2014

Abflug

Am nächsten Morgen geht es bereits um 6.30 Uhr mit dem extragrossen (und das für amerikanische Verhältnisse!) Taxi zum Flughafen. Einen kurzen Schreckmoment gibt’s dann doch noch. Das Satellitentelefon, das gestern Nachmittag bei Wright Air hätte eintreffen sollen, ist unauffindbar … . Liz, eine energische und sehr hilfsbereite Mitarbeiterin greift kurz entschlossen zum Telefon und findet heraus, dass unser Paket im Nachbarsgebäude abgegeben wurde. Puh, das war knapp …  

20 Minuten später sitzen wir im 10-Plätzer Richtung Bettles. Adi als Co-Pilot neben dem Jeans und Kurzarm-Hemd tragenden Piloten. Eine gute Stunde dauert der Flug, dann heisst es aussteigen und ausladen. Bettles ist ein 20-Seelen-Dorf in der Pampa von Alaska und nur auf dem Luftweg erreichbar. Eine Rangerin instruiert uns etwa eine halbe Stunde, wie wir uns in der Natur bewegen sollen. Das meiste ist für uns eine Selbstverständlichkeit. Doch als sie uns das Verhalten bei Bären- und Elchkontakt erklärt, sind wir ganz Ohr. „Wenn ein Grizzly angreift, stellt euch tot. Wenn ein Schwarzbär Ärger macht, kämpft mit ihm um euer Leben.“ O.k., soweit ist alles klar. Nur tragen die Bären kein Schild um den Hals ob sie nun zu den Brauen oder den Schwarzen gehören. Im Normalfall sind die Unterscheidungsmerkmale ziemlich offensichtlich. Aber ob das in Stresssituationen noch immer so einfach ist, sei dahingestellt. Auf jeden Fall trägt jeder von uns praktisch 24-Stunden pro Tag einen Bärenspray mit sich herum.  

Eigentlich war der Plan, einen Tag in Bettles zu bleiben und erst am Tag darauf in die Wildnis zu fliegen. Doch das Wetter ist sehr veränderlich. Mal scheint die Sonne, dann wieder regnet es. Im Moment würde die Wetterlage einen Flug zulassen. Deshalb beschliessen wir, sofort weiterzufliegen. Wir hätten keine Lust, allenfalls in Bettles festzusitzen. So packen wir unsere Nahrungsmittel in bärensichere Fässer um und fliegen am späteren Nachmittag mit Jim und seinem Wasserflugzeug aus dem Jahr
1956 zum Walker Lake. Mit dieser Maschine ist das Fliegen noch echtes Handwerk! Jim pumpt mal hier ein bisschen, dreht mal da an einem Rädchen und es zieht durch alle Ritzen. Aus der Luft sehen wir einen Elch (den ersten für Philipp und René). Jim meint es gut mit uns und kreist so lange in engen Kreisen über dem Elch, bis Philipp langsam grün im Gesicht wird. Auch dieser Flug dauert etwa eine Stunde bevor Jim eine butterweiche Landung aufs Wasser legt. Wir Greenhorns haben nicht daran gedacht, vor
dem Abflug unsere Neopren-Stiefel zu montieren. Und so wird das Ausladen des Flugzeuges dann zu einer kleinen Kneipp-Runde. Kaum ist der letzte Seesack ausgeladen, steigt Jim wieder in die Maschine, die Propeller beginnen zu drehen, er beschleunigt, hebt ab, dreht noch eine Runde über unseren Köpfen, wackelt kurz mit den Flügeln und verschwindet im nächsten Moment hinter dem Hügel. Wir stehen reglos da und lauschen dem verklingenden Motorengeräusch.



Und dann ist da nur noch Stille … Auf diesen Moment haben wir so lange gewartet – und nun ist er tatsächlich da. Lange können wir ihn nicht geniessen, denn es beginnt zu regnen. Schnell bauen wir mit dem Tarp einen Unterstand und warten ab, bis der Regen wieder etwas nachlässt.  

(Simi)

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