Dienstag, 29. Juli 2014

Plan B als Highlight

Unseren ersten Regentag verbringen wir mit Autofahren. Es geht wieder Richtung Südwesten – zum Wells Grey Provincial Park. Von Dani, dem besten Krienser Badmeister, habe ich im Voraus diesen Geheimtipp erhalten. Eigentlich liegt dieser Park nicht an unserer geplanten Reiseroute, doch nun nehmen wir diesen – für nordamerikanische Verhältnisse kleinen - Umweg gern in Kauf. In Clearwater füllen wir unsere Nahrungsmittelvorräte noch einmal auf und gönnen uns nach einer nassen Nacht im Zelt eine einfache aber gute Unterkunft. Am nächsten Morgen fahren wir dann etwa eineinhalb Stunden in ein Tal zum Clearwater- und dem Azur-Lake. Die beiden je ca. 25 km langen Seen haben einige kleine, nur per Motorboot oder Kanu erreichbare Campingplätze am Ufer. Da keine Strasse weit und breit ist und nur vereinzelt Leute per Motorboot unterwegs sind, haben wir hier das Paradies gefunden!

Landschaftlich stehen diese beiden Seen der Landschaft in den Rocky Mountains in nichts nach, dafür herrscht hier einfach nur Ruhe! Das lauteste Geräusch sind die wehmütigen Rufe der Loons – auch bekannt als „Rufe der Wildnis“.

Die beiden Seen sind mit einem gut ein Kilometer langen Durchfluss verbunden. Die Strömung ist da so stark, dass man diese Passage über eine Portage umtragen muss. Nur schon um bis zur Ausbootstelle zu gelangen, müssen wir richtig Gas geben. Die ca. 500 Meter, die wir flussaufwärts paddeln, lassen unsere Oberarme brennen. Die Tragpassage durch einen Wald wird v.a. für Adi zu einem echten Spiessrutenlauf. Wahrscheinlich haben die Moskitos seit Tagen kein frisches Paddlerblut mehr geniessen können. Jedenfalls stürzen sie sich mit Wonne auf uns. Wir bringen die Strecke zweimal in Rekordzeit hinter uns – Adi in der Regenjacke und dem Mückennetz über dem Kopf, ich etwas leichter bekleidet, dafür mit je etwa 20 Stichen über die Schultern verteilt. Aber es ist es allemal wert!!! Der hintere See ist menschenleer – unser persönliches Paradies!

Eigentlich haben wir mit drei Paddeltagen gerechnet und somit für zwei Übernachtungen Nahrungsmittel mitgenommen. Aber es ist so schön hier, dass wir heute spontan um eine Nacht verlängert haben. Den heutigen geschenkten Tag haben wir mit Bannok backen, sünnelen, lesen, Kleider waschen, dolce far niente, Fischen - und unserem liebsten Zeitvertreib, dem Zielschiessen mit der Steinschleuder - verbracht. Zwar hat Adi nur die „Handfischlete“ mitgenommen (wir haben vergessen, eine Fischerlizenz zu lösen). Doch der Ranger, der hier jeden Tag mit seinem Boot alle Campingplätze anfährt und nach dem Rechten schaut, zwinkerte uns zu und meinte nur: „Ja, eigentlich bräuchte man eine Lizenz – aber es sieht euch ja niemand … .“ Also versuchen wir, das heute eher spärliche Abendessen mit einer frischen Forelle aufzupeppen – leider vergebens. Jä no – wir haben ja noch zwei Monate Zeit zum Üben ;-).

Die einfachen Übernachtungsplätze hier sind der Hit: An jedem Platz hat es etwa vier Stellplätze für ein Zelt, dazu je einen Tisch und eine Feuerstelle. Zu jedem Camping gehören auch bärensichere Container für das Essen sowie ein einfaches, aber sauberes Plumpsklo mit genügend WC-Papier. Und das alles für 5 Dollar pro Person und Tag! Auch die Sauberkeit, die an diesen Plätzen scheinbar eine Selbstverständlichkeit ist, beeindruckt uns sehr. Da könnte sich noch so mancher von uns ach so sauberen und vorbildlichen Schweizern eine Scheibe davon abschneiden … . 

Jedenfalls konnten wir hier so richtig die Seele baumeln lassen und paddeln nun morgen erholt und gestärkt an den Ausgangspunkt zurück. Dani, danke für den tollen Tipp!!! 

(Simi)


Die Rückfahrt zum Ausgangspunkt verlief dann doch etwas strenger als geplant. Nachdem wir den wunderschönen Platz am Azur-Lake verlassen hatten, paddelten wir auf dem spiegelflachen See zum Ausfluss. Begleitet wurden wir von mehreren Loons, welche sehr neugierig um unser Kanu herumtauchten. Die Vorfreude auf den ersten „Fluss“ in Kanada war gross, wussten wir doch vom Hochpaddeln, dass er eine schöne Strömung hatte. Und so konnten wir uns 20 Minuten treiben lassen; yupiiee! Schon bald aber spülte uns der Fluss in den unteren See und vorbei war es mit dem Rumhängen. Ich hatte jedoch vorgesorgt und am Morgen eine Segelkonstruktion fürs Kanu gebaut.
 
Die vorherrschende Flaute liess uns nicht entmutigen. Der Ranger hatte uns am Vortag erklärt, dass immer um die Mittagszeit der Wind einsetzt und dies in unsere Fahrtrichtung. Wir mussten also nur noch warten. Mit ruhigen Paddelschlägen glitten wir über den See und genossen die Stille. Und tatsächlich, nach rund einer Stunde begann sich das Wasser leicht zu kräuseln. Nur was lief hier verkehrt? Man glaubt es kaum, der Wind kam von der anderen Seite; Gegenwind! Super, nun konnten wir 24km Gegenwindpaddeln. Die Enttäuschung war umso grösser, als wir mal unsere Segelkonstruktion mit dem Wind ausprobierten. Ich hatte sogar das Gefühl, dass sich der Bug aus dem Wasser herausschob…Ok, vielleicht war’s nicht so extrem, jedoch konnte man mit null Aufwand gleich schnell segeln, wie wenn wir gepaddelt hätten. Wir bauten schweren Herzens unser Konstrukt ab und stellten uns auf den langen Nachhauseweg ein. Dieser dauerte geschlagene 6 Stunden, insgesamt mit dem oberen See also 7h. Da Simi jedoch einen super Grundschlag anschlug, war es gar nicht so ermüdend. Oder half da auch noch, dass auf dem letzten Viertel verschiedene andere Paddler versuchten, schneller als das Schweizerboot zu sein? Jedenfalls legten wir als Erste am Ausbootsteg an; etwas stolz waren wir schon auf unsere Leistung…

Nachdem wir das Ally (unser Kanu) verladen hatten, fuhren wir zurück nach Clearwater. Wir beschlossen, die Nacht auf einem etwas grösseren Campingplatz zu verbringen, zu welchem auch ein Restaurant gehörte. Und man staune, das Essen war hervorragend und der Wein buvable. Vielleicht lag es aber auch einfach daran, dass wir es sehr genossen, nur an den Tisch zu sitzen und uns bewirten lassen zu können. 

(Adi)

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