Dienstag, 29. Juli 2014

Das fünfte Rad am Wagen


Es ist der 27. Juli 22 Uhr abends. Ich sitze im Zelt und lasse die letzten Tage Revue passieren:

Jim Harrison, der Campingwart vom Jewel Lake, hat uns den guten Tipp mit auf den Weg gegeben, ein Ersatzrad mitzunehmen. Die Strassen nach Alaska sind einsam, Hilfe bei einer Autopanne rar und teuer. In der nächsten grösseren Ortschaft legen wir also einen kurzen Halt ein, um ein Occasionsrad zu erstehen. Es scheint gar nicht so einfach zu sein, eine passende Felge für unseren Dodge zu finden. Der Mechaniker hat das linke Vorderrad abgenommen und probiert Felge um Felge. Endlich passt eine. Kurze Zeit später sind wir mit einem Rad mehr unterwegs.

Etwa zweihundert Kilometer später wird das Gelände bergiger. Wir nähern uns den Rocky Mountains. Kurz bevor wir die nächste Talsohle erreichen, beginnt es hinten links zu rumpeln. Da wir eh tanken müssen, rollen wir auf dem nächstbesten Platz aus – es ist zwar per Zufall gerade eine Tankstelle, jedoch nur eine für Trucks. Diesel können wir definitiv keinen gebrauchen. Dafür unterzieht Adi das Auto einem Schnell-Check. Wir staunen nicht schlecht, als er beim linken Hinterrad, die Radschrauben von Hand anziehen kann. Das Glück meint es weiterhin gut mit uns: Gerade neben der Trucktankstelle befindet sich eine Autowerkstatt. Die Mechaniker schauen erst ungläubig, als wir ihnen das Problem schildern. Aber dieses Mal liegt es definitiv nicht an unseren Englisch-Kenntnissen. Dieses Mal liegt es am Rad! Als einer der Mechs dann den grossen Schraubenschlüssel holt und bei jeder Schraube am linken Hinterrad mehrere Umdrehungen machen kann, meint er nur trocken: „Lucky guys!‘‘ Die anderen Räder kontrolliert er sicherheitshalber auch noch. Ausser beim linken Vorderrad, das 200 km vorher wegen des Reserverads abgenommen und wieder angeschraubt wurde, kann fast jede Schraube noch nachgezogen werden. Puh, ein bisschen ist der Adrenalinspiegel schon angestiegen, als uns bewusst wird, welchen Schutzengel wir da gehabt haben … . Es ist definitiv uncool, in voller Fahrt vom eigenen Rad überholt zu werden! Na ja, andererseits hätten wir ja ein Reserverad im Auto gehabt … ;-)

Alle paar hundert Kilometer kontrollieren wir nun die Radschrauben. Ohne je wieder eine anziehen zu müssen. Wir erklären uns das Ganze so, dass die vorherige Besitzerin das Auto vor dem Verkauf noch auf  Hochglanz polieren liess und der Lehrling vergessen hat, die Räder wieder richtig anzuziehen …Adi glaubt aber eher an eine Verschwörungstheorie und checkt von nun an jeden Parkplatz auf auffällige, zwielichtige Gestalten. 

Die Rocky Mountains: Weltbekannt und ein „must“, auf einer Reise durch Westkanada. Zugegeben, unsere Erwartungen waren gross – zu gross, wie sich bald herausstellen sollte. An der Landschaft liegt es nicht. Sie erinnert uns ein bisschen an die schönen Berggebiete in der Schweiz – einfach ein bisschen grösser.
 
Hier ist eh alles im XXL-Format: Die Hamburger, die Autos, die Highways, die Distanzen, die Ranzen der Leute, die Anzahl Touris an den Hotspots, … . Den letzten Punkt haben wir definitiv unterschätzt. Je kürzer die Distanz zur Sehenswürdigkeit, umso höher die Absätze und umso länger die Fingernägel des weiblichen Publikums. Es sind Massen!!! Carweise werden sie hingekarrt, steigen aus um die obligaten Fötelis zu knipsen, steigen 10 Minuten später wieder ein und werden zum nächsten Hotspot gebracht. Uns überkommt das nackte Grauen … .

Eigentlich wollten wir uns für die Rockys etwa eine Woche Zeit nehmen. Da nun aber zu allem Übel am dritten Tag auch noch das Wetter schlecht wird, ergreifen wir die Flucht nach vorn und überlassen die grandiose Bergwelt den anderen. Plan B muss her!
 
(Simi)
 
 

 

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