Es ist der 27. Juli 22 Uhr abends. Ich sitze im Zelt und
lasse die letzten Tage Revue passieren:
Jim Harrison, der Campingwart vom Jewel Lake, hat uns den
guten Tipp mit auf den Weg gegeben, ein Ersatzrad mitzunehmen. Die Strassen
nach Alaska sind einsam, Hilfe bei einer Autopanne rar und teuer. In der
nächsten grösseren Ortschaft legen wir also einen kurzen Halt ein, um ein
Occasionsrad zu erstehen. Es scheint gar nicht so einfach zu sein, eine
passende Felge für unseren Dodge zu finden. Der Mechaniker hat das linke
Vorderrad abgenommen und probiert Felge um Felge. Endlich passt eine. Kurze
Zeit später sind wir mit einem Rad mehr unterwegs.
Etwa zweihundert Kilometer später wird das Gelände bergiger.
Wir nähern uns den Rocky Mountains. Kurz bevor wir die nächste Talsohle
erreichen, beginnt es hinten links zu rumpeln. Da wir eh tanken müssen, rollen
wir auf dem nächstbesten Platz aus – es ist zwar per Zufall gerade eine
Tankstelle, jedoch nur eine für Trucks. Diesel können wir definitiv keinen
gebrauchen. Dafür unterzieht Adi das Auto einem Schnell-Check. Wir staunen
nicht schlecht, als er beim linken Hinterrad, die Radschrauben von Hand anziehen
kann. Das Glück meint es weiterhin gut mit uns: Gerade neben der Trucktankstelle
befindet sich eine Autowerkstatt. Die Mechaniker schauen erst ungläubig, als
wir ihnen das Problem schildern. Aber dieses Mal liegt es definitiv nicht an
unseren Englisch-Kenntnissen. Dieses Mal liegt es am Rad! Als einer der Mechs
dann den grossen Schraubenschlüssel holt und bei jeder Schraube am linken
Hinterrad mehrere Umdrehungen machen kann, meint er nur trocken: „Lucky guys!‘‘
Die anderen Räder kontrolliert er sicherheitshalber auch noch. Ausser beim
linken Vorderrad, das 200 km vorher wegen des Reserverads abgenommen und wieder
angeschraubt wurde, kann fast jede Schraube noch nachgezogen werden. Puh, ein
bisschen ist der Adrenalinspiegel schon angestiegen, als uns bewusst wird, welchen
Schutzengel wir da gehabt haben … . Es ist definitiv uncool, in voller Fahrt
vom eigenen Rad überholt zu werden! Na ja, andererseits hätten wir ja ein
Reserverad im Auto gehabt … ;-)
Alle paar hundert Kilometer kontrollieren wir nun die
Radschrauben. Ohne je wieder eine anziehen zu müssen. Wir erklären uns das Ganze
so, dass die vorherige Besitzerin das Auto vor dem Verkauf noch auf Hochglanz polieren liess und der Lehrling
vergessen hat, die Räder wieder richtig anzuziehen …Adi glaubt aber eher an
eine Verschwörungstheorie und checkt von nun an jeden Parkplatz auf auffällige,
zwielichtige Gestalten.
Die Rocky Mountains: Weltbekannt und ein „must“, auf einer
Reise durch Westkanada. Zugegeben, unsere Erwartungen waren gross – zu gross, wie
sich bald herausstellen sollte. An der Landschaft liegt es nicht. Sie erinnert
uns ein bisschen an die schönen Berggebiete in der Schweiz – einfach ein bisschen
grösser.
Hier ist eh alles im XXL-Format: Die Hamburger, die Autos, die Highways, die
Distanzen, die Ranzen der Leute, die Anzahl Touris an den Hotspots, … . Den
letzten Punkt haben wir definitiv unterschätzt. Je kürzer die Distanz zur
Sehenswürdigkeit, umso höher die Absätze und umso länger die Fingernägel des
weiblichen Publikums. Es sind Massen!!! Carweise werden sie hingekarrt,
steigen aus um die obligaten Fötelis zu knipsen, steigen 10 Minuten später
wieder ein und werden zum nächsten Hotspot gebracht. Uns überkommt das nackte Grauen
… .
Eigentlich wollten wir uns für die Rockys etwa eine Woche
Zeit nehmen. Da nun aber zu allem Übel am dritten Tag auch noch das Wetter
schlecht wird, ergreifen wir die Flucht nach vorn und überlassen die
grandiose Bergwelt den anderen. Plan B muss her!
(Simi)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen